Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Meilenstein der Comic-Geschichte

splitter

Jean Giraud ist weitergezogen. Sein Werk ist alles, was uns auf dieser Sphäre von ihm bleibt. Und dank der verlegerischen Verve von Splitter, dem neuerdings bedeutendsten deutschsprachigen Comic-Verlag (dessen Website-Banner ich mir hier ausgeborgt habe), ist das vielleicht Allergroßartigste aus dem Œuvre von Mœbius (Girauds Pseudonym für seine fantastischen Arbeiten) endlich wieder verfügbar.

incal_01_cover_2incal_02_cover_2Die Rede ist vom sechsteiligen Science-Fiction-Zyklus John Difool, nach dem drittklassigen Privatdetektiv, der zum Helden des Universums wird. Oder zumindest zu dessen Hülle, denn der eigentliche Star ist der Incal, eine geheimnisvolle Macht in Prismenform. Unter diesem Namen ist das Meisterwerk denn auch weit eher bekannt, unter diesem Namen bringt es Splitter neu heraus: Der Incal. Teil 1: Der schwarze Incal.

Szenarist des Abenteuers/des Erleuchtungsmythos/des psychoanalytischen Berichts/des Entwicklungsromans/der Traummaschine ist Alejandro Jodorowsky, ein chilenischer Autor und Regisseur mit ausgeprägtem Hang zum Mystischen und Esoterischen. Der Name seines Helden und die Struktur des Zyklus (auf den schwarzen folgt Der Incal des Lichts, die Bände drei und vier tragen die Titel In tiefsten Tiefen bzw. In höchsten Höhen) zeigen ganz deutlich, worum es Jodorowsky geht: Polarität. incal_03_cover_2incal_04_coverOder eigentlich um deren Überwindung, denn der Name Difool, „übersetzbar“ in etwa als „gespaltener Narr“, stellt unmissverständlich klar, was der Autor von der scheinbar so unüberwindlichen Dualität des Daseins hält. Und was anderes ist Erleuchtung als die Überwindung eben dieser Spaltung und die Wiedererlangung der All-Einheit?

Sollte das jetzt nach Hare Krishna und Entrückung geklungen haben, keine Sorge: Der Incal ist eine irre Geschichte, spannend, oft ironisch-witzig, eine Gesellschaftssatire, eine abenteuerliche Achterbahnfahrt… ungemein vielschichtig und dabei blendend unterhaltend. Und natürlich, last but not least, ein Bilderfeuerwerk der Sonderklasse.

Wie alle wirklich herausragenden Kunstwerke ist es letztendlich nicht beschreibbar, sondern nur erfahrbar. Seine Qualität macht es zum idealen Sammelobjekt, das man immer wieder gerne zur Hand nehmen und aufs Neue erleben will.

incal_05_coverDer Incal 6Die comic-historisch ebenso anspruchsvolle wie ehrenwerte Aufgabe, den Incal-Zyklus neu herauszubringen, hat Splitter mit der vorliegenden, restlos gelungenen Collectors Edition bravourös gemeistert und damit sich und Jean Giraud ein Denkmal gesetzt. Die Hardcover im Kingsize-Format mit schön gestaltetem Vorsatzpapier und den so angenehm respektvollen, verlagsübergreifenden Werkschauen der jeweils beteiligten Künstler enthalten neben dem eigentlichen Comic auf insgesamt 64 Seiten diverse reich illustrierte Sekundärtexte, in Band 1 z.B. einen von Alejandro Jodorowsky selbst. Krönung der bibliophilen Ausgabe ist der auf der Innenseite des hinteren Buchdeckels eingelegte Kunstdruck einer Mœbius-Illustration.

Zur Rezension im Standard, 30. 3. 2013: Das aufpolierte Jodoversum Faksimile der Rezi

Mœbius, Alejandro Jodorowsky: John Difool – Der Incal. Je Band € 15,80
Zum gesamten Incal-Angebot im Splitter Online-Shop.

Band 1 – Der schwarze Incal | Band 2 – Der Incal des Lichts | Band 3 – In tiefsten Tiefen
Band 4 – In höchsten Höhen | Band 5 – In weiter Ferne | Band 6 – In nächster Nähe
Schuber für den kompletten Zyklus

 

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