Ein sehr spezieller Experte im literarischen Würgegriff
Im ersten Moment glaubte ich an einen Irrtum: Mark Allen Smiths Fortsetzung des Psychothrills um den Verhörspezialisten Geiger ähnelt dem Debüt äußerlich derart, dass der erwünschte Erinnerungseffekt hier zum Verwechslungsrisiko wird. Zumal auch der Titel dazu beiträgt: „Der Spezialist“ wurde „Der Experte“.
Tatsächlich knüpft Der Experte unmittelbar an die Ereignisse in Der Spezialist an – in einem Maß, dass das Buch ohne Kenntnis von Teil 1 zeitweise unlesbar scheint, obgleich letztlich eine eigenständige Geschichte erzählt wird. Ein „Was bisher geschah“ wäre definitiv hilfreich gewesen; so wird der Leser immer wieder mit Anspielungen auf Geschehnisse irritiert, die zwei Jahre und 47 Bücher später eventuell nicht mehr ganz so präsent wie beim Autor selbst sind … was schade und unnötig ist, denn liest man darüber hinweg, entfaltet sich ein sehr gelungenes Stück Thrillerliteratur, das absolut für sich selbst stehen kann.
Kultivierte Grausamkeit würdig eines Hannibal Lecter
Die faszinierend zwiespältige Figur des Inquisitors Geiger in Kombination mit der raffinierten Schreibe Smiths, einem wahrlich diabolischen, wahnhaften Bösewicht und einem Plot, der sich Zeit lässt, bis er dem Leser die Schlinge um den Hals legt, dafür aber umso unbarmherziger zusammenzieht, ergeben ein Thrillerleseerlebnis, das dem beim ersten Erscheinen Geigers auf der fiktionalen Bühne beinahe gleichkommt. Psychothrill erster Güte, feinst dosiert gewürzt mit zu Kunst kultivierter Brutalität, wie sie bisher nur ein Hannibal Lecter servieren konnte.
Empfehlung daher: Kaufen Sie am besten gleich beide Bücher und lesen Sie sie mit nicht zu viel Abstand voneinander. Für jene, denen dieser Tipp nichts mehr bringt: Hier ein Link zu einer Zusammenfassung der Ereignisse im ersten Teil. Hätte ich das früher gewusst …
Mark Allen Smith: Der Experte. Lübbe, Bergisch-Gladbach 2013. Tb., 446 S. EUR 14,99 (D und! A)
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