Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Der Tod auf Irisch oder: Six Guinness Under

massey-paddy-buckley

Paddy Buckley muss einen Verbrecher bestatten – den er selbst auf dem Gewissen hat. Doch die Hoffnung stirbt erst nach dem letzten Guinness.

„Für das Bestattergewerbe gelten ein paar zentrale Regeln. Eine von ihnen ist, die Trauernden Trauernde sein zu lassen. Als Bestatter hast du ein Fels zu sein, der Sinn stiftet in einer Zeit der Verwirrung. Aber immer aus der Distanz. Der Bestatter ist nie Teil des Trauerprozesses. Wenn wir emotional verwickelt werden, sind wir für die Trauernden nutzlos.“

Paddy Buckley weiß, wovon er spricht, war doch schon sein Vater professioneller Letzter-Weg-Begleiter. Die trauernde Witwe, sein aktueller Auftrag, weiß das nicht und verlangt nach maximal distanzloser Zuwendung für ihren Trauerprozess. Paddy springt über seinen berufsethischen Schatten und mit der Witwe ins Bett – was diese nicht überlebt.

Es gilt, einen handfesten Skandal zu vertuschen – „Bestatter treibt Witwe in den Sextod“ –, allerdings wird dies allzu bald zur Nebensache, als der chronisch übermüdete und überarbeitete Paddy, nach dem Tod seiner Eva selbst ein Trauernder, einen Fußgänger überfährt, der sich als Bruder des Dubliner Obergangsters entpuppt. Welcher sich prompt an Paddys Firma wendet, den Bestatter-Platzhirsch der Stadt. Einen Auftrag von solcher Wichtigkeit kann nur einer übernehmen: Paddy. Und so findet er sich alsbald als todbringender Fahrerflüchtiger bei Vincent ein, dem gefürchtetsten Verbrecher Irlands, und organisiert die Beerdigung seines Bruders, dessen blutige Überreste auf der eingedrückten Schnauze von Paddys Auto kleben …

Ein bisschen lebensweise, eher leise und reichlich skurril

Es gilt als genuin irische Eigenart, den makabersten, bestürzendsten Ereignissen mit jenem fatalistischen Galgenhumor zu begegnen, der nur aus echtem Leiden entstehen kann und nur funktioniert, wenn man sich aller Extreme entsagt. Geprügelt oder getreten, verarmt, verraten, verkauft – Hoffnung gibt es immer, so sicher wie das nächste Pint Guinness. Jeremy Masseys tiefschwarze Komödie macht da keine Ausnahme. Unterhaltsam, ohne wirklich witzig zu sein, eine Crimestory, ohne wirklich spannend zu sein, wird hier im Grunde die tiefe Trauer eines Menschen über den Verlust seiner Liebsten thematisiert. Ein bisschen lebensweise, eher leise und reichlich skurril.

Jeremy Massey, „Die letzten vier Tage des Paddy Buckley“. € 15,50 / 272 S. Carl’s Books, München 2016

Autor: Helmuth Santler

03. Nov 2016 um 18:26

Einen Kommentar schreiben: