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Die dunkle Königin. Das Lied von Eis und Feuer 08

GRRM eis feuer 08Jetzt liegt also das zweite Viertel der im Englischen zwei-, in der deutschsprachigen Version vierteiligen Fortsetzung von George Martins Lied von Eis und Feuer vor. Und es ist im Grunde ein Ärgernis. Mittlerweile gehen nicht weniger als 70 Seiten für einen Anhang drauf, der die personellen Hundertschaften auflistet, was allerdings überhaupt nicht weiterhilft, weil man beim Versuch, einen Namen einzuordnen, jedes Mal den halben Anhang nach einem Wort scannen muss. Im Text wird munter auf Ereignisse Bezug genommen, die irgendwann im Laufe von weit über 3.500 Seiten und mittlerweile an die zehn Jahre geschehen sind, inklusive dem Einsatz von Zweit-, Dritt- und Spitznamen. Das sorgt natürlich für die einzigartig authentische Wirkung der Fiktion, aber, verehrter Herr Martin, man kennt sich einfach nicht mehr aus – sofern man nicht das ganze bisherige Opus halb auswendig gelernt hat oder zumindest die Lektüre nicht mehr als maximal ein paar Monate zurück liegt.
Besonders wenn es um die dreimal ineinander verschachtelten Intrigen geht und auf einer Seite 6, 7 und mehr Namen fallen, deren genaue Beziehungen zueinander man parat haben müsste, um allen Feinheiten folgen zu können, gleicht der Text einem lexikalischen Irrgarten.
Dazwischen blitzt immer mal wieder Martins erzählerische Genialität auf, aber in punkto Handlung geht letztlich auch nichts Wesentliches weiter; am Ende sitzt Cersei in der Tinte (ein bisschen tiefer halt als vor den 1000 Seiten der Bände 7 und 8), Brienne hat noch immer niemanden gefunden, Arya ist in Ausbildung, Jaime versucht mit der Linken zu kämpfen. Offenbar befinden wir uns mitten in der Mitte, genau dort wo bei einer Schachpartie nach dreißigminütigem Köpferauchen ein Bauer ein Feld weit bewegt wird.
Bitte, Mr. Martin, lieber Blanvalet-Verlag: 70 Seiten Anhang lassen sich weitaus besser nützen. Z. B. indem Personennamen alphabetisch aufgelistet werden; z. B. für knappe Zusammenfassungen bei den wichtigsten Figuren; z. B. für eine „politische“ Karte von Westeros, die grundlegende Bezüge auf einen Blick transparent macht.
Und: Wenn ihr schon die an sich problematische Entscheidung von George Martin, sein Buch in zwei Hälften zu teilen, noch übersteigern müsst, bringt doch bitte wenigstens die zusammengehörenden Hälften binnen eines Monats auf den Markt.
Inzwischen gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass es dem Grand Maester Martin doch noch gelingt, dieses Buch zu Ende zu schreiben…
George R. R. Martin: Die dunkle Königin. Das Lied von Eis und Feuer 8. Blanvalet, München 2006. Tb., 603 S.

Autor: Helmuth Santler

06. Apr 2010 um 11:56

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