Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Zwischen Nanotechnik und Kannibalismus

Peadar Ó Guilín: Das Ende des HimmelsDie Fortsetzung von Die Kuppel hebt mit einer Entscheidung an, die Stolperzunge, jetzt der Häuptling der Menschen, unendlich schwerfällt: Er muss seinen Stamm im Stich lassen, um sich im „Großen Dach“ auf die Suche nach der Liebe seines Lebens zu machen – die zugleich die einzige Person ist, die der grauenvollsten Bedrohung, der sich die Wilden je gegenübersahen, etwas entgegenzusetzen hat. Der Vormarsch der Wühler, die ihre Opfer halb vergraben bei lebendigem Leib als Wirtskörper für ihre Larven quälen, ist mit den Mitteln der Primitiven nicht aufzuhalten.

Stolperzunge gelangt auch ins Dach, wo er sofort zum Gejagten wird; Freund und Feind sind kaum zu unterscheiden, zumal in einer für ihn völlig fremdartigen Welt, in der höchstentwickelte (Nano-)technik wie reine Magie anmutet. Das unerträgliche Menschengewimmel, das allgegenwärtige Leiden und Hungern in der heillos übervölkerten, den Planeten umschließenden künstlichen Behausung spricht indes eine andere Sprache: Das Dach hat selbst mit existenziellen Problemen zu kämpfen, ein System nach dem anderen versagt … und Indrani, Stolperzunges geliebtes Weib, entpuppt sich als Schlüsselfigur für das Gelingen eines letzten, verzweifelten Plans.

Nachdem Teil 1 eine grausame, steinzeitliche Welt zum Inhalt hatte, spielt die Fortsetzung fast ausschließlich im ultimativen Techno-Himmel – und die große Botschaft lautet: Ob Kannibale oder ewig lebender, nanotechnisch modifizierter Elitesuperkrieger, das menschliche Naturell ist unbehelligt von äußeren Einflüssen gerade so, wie es eben ist. Zivilisation schützt vor Grausamkeit nicht, sondern vervielfacht lediglich die Mittel, sie auszuüben … Viele Fragen, die nach der Lektüre von Die Kuppel offen blieben, werden beantwortet: Was genau ist das Dach und wie funktioniert es? Woher kommen die ganzen fremdartigen, einander zu Tode hetzenden Wesen auf der Oberfläche?

Die Jagd auf Stolperzunge und Indrani, die ihrerseits nach Antworten suchen, ergibt einen stimmigen, gut geschriebenen SF-Thriller, der die Qualität von Teil 1 sogar übertrifft. Insofern darf der Abschlussband der Bone World Trilogy for young adults, in dem die beiden so unvereinbar scheinenden Welten nolens volens ihre Gemeinsamkeiten werden ausloten müssen, mit einiger Spannung erwartet werden. Behält der irische Autor seine Schreibgeschwindigkeit bei, ist damit allerdings frühestens 2014 zu rechnen.

Peadar Ó’Guilín: Das Ende des Himmels. Blanvalet, München 2012. Tb., 446 S., € 10,30 (A)
Taschenbuch E-Book

Autor: Helmuth Santler

14. Aug 2013 um 12:55

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