Weiten weit im Westen: Absaroka County, Wyoming
„Longmire“ – Neowestern und Crime-Drama, sehenswert
Walter Longmire ist der klassische Westernheld: wortkarg, kantig, unbeugsam. Weil er aber nicht im Wilden Westen des 19. Jahrhunderts, sondern im Wyoming der Gegenwart agiert, ist er auch das Gegenteil des John-Wayne-artigen my law is my gun man: Sein bester Freund (seit Jugendtagen) ist Henry Standing Bear, Cheyenne, Fährtensucher und Betreiber des Red Pony Cafés. Der ihm dann auch tatkräftig aus der Patsche hilft, als es um Walts Selbstdarstellung zwecks Wiederwahl als Sheriff geht: Sich selbst zu vermarkten ist dem sonst so lebenstüchtigen Mann ganz und gar nicht in die Wiege gelegt.
Die Serie nach den „Walt Longmire Mysteries“-Romanen von Craig Johnson präsentiert sich als ausgereiftes Crime-Drama, in dem Walt Longmire (Robert Taylor, Agent Jones aus The Matrix) den geradezu idealtypischen Gesetzeshüter gibt: Erfolgreich zwischen buchstäblicher Gesetzestreue und menschlichem Maß balancierend, hat er seinen durch Erfahrung geeichten, persönlichen Moralkompass stets auf „true north“ ausgerichtet. Dennoch ist er auch eine gequälte Seele: Zu Beginn der Serie (Juni 2012) schafft er es endlich, wieder wirklich ins Berufsleben zurückzukehren; den Tod seiner Frau hat er allerdings noch längst nicht überwunden, zumal der von einigen sehr dunklen Geheimnissen überschattet ist. Auch Henry (Lou Diamond Phillips, im wirklichen Leben 1/8 Cherokee und halber Filipino) ist darin verwickelt.
Ruhige Zuversicht zeichnet den Helden und sein Drama aus
Die Freundschaft zwischen Walt und Henry ist zentral für das Funktionieren der Geschichten: Im Indianergebiet hat Walt keine Befugnisse und wird mit Argusaugen überwacht – nach Jahrhunderten der Unterdrückung ist das neu erwachende indianische Selbstbewusstsein noch ein zartes Pflänzchen und wird eifersüchtig gehütet. Die Cheyenne sind aber grundsätzlich 
nicht anders als alle anderen und also keine Heiligen – Positiv-Diskriminierung zwecks Vorantreiben der eigenen Agenda funktioniert bestens. Es ist eine permanente Gratwanderung für Walt, seinem Kompass durch alle moralischen und juristischen Minenfelder hindurch zu folgen. Das belastete Verhältnis zur Urbevölkerung ist das wichtigste gesellschaftliche Spannungsfeld. Dazu kommen die landestypischen: Wyoming ist der am zweitdünnsten besiedelte US-Bundesstaat, ein Land, wo die Luft nach Cowboyromantik und Truckeridyll schmeckt – bzw. Hillbilly-Wahnsinn und schießwütigem Machismo.
Aus dem weiteren Cast sticht Deputy Moretti hervor: „Vic“ wird gespielt von Katee Sackhoff, Science-Fiction-Fans bestens bekannt als „Starbuck“ in Battlestar Galactica. Cassidy Freeman agiert als Walts Tochter Cady Longmire, Anwältin in einer lokalen Kanzlei, Bailey Chase als Branch Connally: der Spross lokaler Platzhirschen hat Ambitionen, Walt als Sheriff abzulösen.
Longmire hat viel Herz und trockenen Witz. Es drängt sich nicht auf: Vor der bestechend schönen Kulisse, den unendlichen Weiten Wyomings, muss es sich in Ermangelung echter Starpower ganz auf seine Qualitäten verlassen, die es gekonnt ausspielt. Ruhige Zuversicht zeichnet den Helden und sein Drama aus, der Rhythmus ist gemächlich, das Timing perfekt, die Charaktere greifbar.
Die Serie wurde gut aufgenommen, mit einem Metascore von 67/100 und im Verlauf der ersten beiden Staffeln von der ersten zur letzten Folge stets leicht steigenden Zuseherzahlen. Im August 2013 wurde vom produzierenden A&E Network eine dritte Staffel bestellt. Ob die Serie jemals im deutschsprachigen TV gezeigt wird, ist fraglich: Auch die bisher 10 Romane von Craig Johnson gibt es nur im Original.
