Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Valley. Tal der Wächter

Stroud, Valley HcJonathan Stroud, dessen Barthimäus-Trilogie ihn zum weltweit gefragten Autor machte, legt sein neuestes Werk vor. Ein überaus erfreulicher Umstand, denn Valley ist nicht einfach nur gut, sondern unterstreicht die Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit des Autors so deutlich, dass kaum zu glauben ist, erneut vom Erfinder des ironisch-spitzzüngigen Dschinns zu lesen. Vor allem aber erreicht Stroud mit Valley die höchste Ebene der Erzählkunst: Jene, auf der Erzählhandlung, Sub- und Metatext ein Ganzes ergeben, das größer als die Summe seiner Teile ist. Valley sprengt die Grenzen des Genres (All-Age-Fantasy) und besticht als tatsächlich originäres, eigenständiges literarisches Werk.
Die Geschichte von Hal Svensson, einem etwas zu kurz geratenen, aber mit einem reichlich losen Mundwerk gesegneten Nachfahren eines der 12 Helden, die einst das von der Außenwelt völlig abgeschnittene Valley besiedelten und für alle Zeiten befriedeten, ist eine stets wunderbar zu lesende, teils schmunzelige, teils hoch spannende Abenteuerfabel. Zugleich ist es aber eine Parabel über die Beschränktheit und Engstirnigkeit der Menschen, die Bedeutung von Glaubensinhalten und die Macht von Vorurteilen. Und allem voran ist es eine satirische Abrechnung mit Helden und Heldentum (der Originaltitel lautet denn auch „Heroes“).
Neben dem Haupt-Erzählstrang ist jedem Kapitel eine kurze Heldensage über den großen Sven vorangestellt, deren Inhalte mit der Buchwirklichkeit der Nachfahren zunehmend auf Konfrontationskurs gehen. In dem Maß, wie Hals Bewusstsein erwacht und sein Verständnis tiefer wird, wandelt sich der ganze Tonfall von (manche Leser irritierender) anfänglicher Naivität zum komplexen Ergebnis wirklich eigener Nachdenkprozesse.
Das Buch verlangt vom Leser die Bereitschaft zur Textkritik; wer die Inhalte lediglich schwammartig aufnimmt, wird nicht in der Lage sein, den Wandlungen und Entwicklungen wirklich zu folgen. Zwar lässt sich das Werk, wie schon erwähnt, auch als eindimensionale Abenteuerstory gut konsumieren, doch kommt das in etwa dem Runterschütten eines edlen Glases Wein gleich: einer Vergeudung. Und falls diese ganzen eher theoretischen Ausführungen für Mundtrockenheit gesorgt haben, hier nochmal die Versicherung: Valley ist ganz großes Lesevergnügen.
Jonathan Stroud: Valley. Tal der Wächter. cbj, München 2009. Geb., 493 S.

Autor: Helmuth Santler

14. Mrz 2011 um 16:16

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