Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Karnt’n(-Reiseführer) is’ lei ans

kaerntenZugegeben, ich öffnete diesen Guide mit gehöriger Skepsis. Ich bin nämlich Kärntner – und jetzt sollen mir ausgerechnet zwei deutsche Reisejournalisten erzählen, was in meinem Herkunftsland so los ist? Die Skepsis wich alsbald neu bestärkter Gewissheit: Wie gewohnt liefert der MMV beste Qualität – eine Fülle an praktischen Reiseinformationen, launig-liebevolle Nebengeschichten, solide aufbereiteter landeskultureller Hintergrund, informative Grafiken, illustrative (durchwegs farbige) Bebilderung, gut beschriebene Wanderrouten … Die beigelegte Karte hätte man sich in diesem Maßstab (1:400.000) sparen können, in Summe aber ein Start-Ziel-Sieg: Erstaunlicherweise gibt es nämlich zu Kärnten, immerhin seit Jahrzehnten eine der beliebtesten Urlaubsdestinationen für Bundesdeutsche (und Niederländer und zunehmend Italiener, echt jetzt), einen einzigen weiteren Reiseführer im Premium-Segment auf dem Markt (Dumont), und den steckt der MMV-Führer allemal in die Tasche. (Nebenbemerkung dazu: Ja, solche Reiseführer kosten mehr und wiegen mehr, aber die billigen, dünnen Schmalspurvarianten sind einfach generell nutzlos.)

Der beschämte Kärntner

Der Skepsis und der bestärkten Gewissheit folgte die Beschämung: Je länger ich in dem Band blätterte, desto deutlicher wurde mir, welch ungeheure Ahnungslosigkeit in puncto Kärnten mir zu eigen ist. Gut, ich habe meinen Lebensmittelpunkt vor mittlerweile 32 Jahren nach Wien verlegt, aber trotzdem … Jedenfalls habe ich beschlossen, Stück für Stück meine Wissenslücken zu schließen, wann immer es mich in mein Herkunftsbundesland verschlägt – den perfekten Buchbegleiter habe ich jetzt ja. Als Erstes erwies ich Thomas von Villach meine Reverenz, weil ich nämlich nicht einmal vom berühmtesten mittelalterlichen Freskenmaler Kärntens je was gehört hatte, obwohl der noch dazu aus meiner Heimatstadt kommt. Bei der Gelegenheit durfte ich mich gleich von einem weiteren Klischee verabschieden, dem des überteuerten, überlaufenen, Touristen abzockenden Kärntens nämlich. Gilt nicht, zumindest in diesem Fall: Beim Besuch der wirklich großartig freskengeschmückten Kapelle in Thörl-Maglern waren wir allein, und zu zahlen gab es auch nichts – sieht man von der rührenden Möglichkeit ab, eine Spende für ein paar Minuten Innenbeleuchtung zu hinterlassen. (Mit Licht hat man untertags übrigens weniger gesehen als ohne; gespendet wurde natürlich trotzdem.)

Sabine Becht, Sven Talaron: Kärnten. Michael-Müller-Verlag, Erlangen 2013. 432 S., EUR 20,50

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Autor: Helmuth Santler

25. Mrz 2015 um 11:28

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