Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Fleisch und Blut

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Foto: Filmmuseum

Paul Verhoeven steht für eine Gratwanderung zwischen Obsession und Observation. Retrospektive im Filmmuseum

Changierend „zwischen Kritik und Affirmation“, formulierte der Standard, sei der Stil Verhoevens. Was hier so vornehm klingt, wird auf der Leinwand zu Fleisch und Blut: Sex, Gewaltexzesse, Nacktheit bis hin zu pornografischen Momenten. Flesh+Blood ist auch der Titel eines pestbeuligen, rabenschwarzen Mittelalter-Epos, in dem die zentrale Frage für Verhoeven und seine unter Dauerdruck stehenden Figuren, jene nach den Machtverhältnissen, zwischen Rutger Hauer und Jennifer Jason Leigh (Bild links) im Sex-Infight geklärt wird. Dieser „wahrhaft irre Film, der den wohl morbidesten Kuss der Filmgeschichte enthält und … Formate à la Game of Thrones um rund 30 Jahre vorwegnahm“ (Filmmuseum) markiert den Übergang Verhoevens vom niederländischen Independent-Filmemacher zum Hollywood-Blockbuster-Regisseur: RoboCop, Total Recall, Basic Instinct haben ihren festen Platz in der Liste kommerziell wie künstlerisch erfolgreicher Filme (die beiden Ersteren bis hin zum zwischenzeitlichen Remake).

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Sharon Stone in der berühmten Höschen(-losen)-Szene in Basic Instinct. Foto: Filmmuseum

Neurotische Zwänge mit unbegrenzten Möglichkeiten

Verhoeven schwelgte in den Möglichkeiten, die Hollywood in finanzieller und technischer Hinsicht bot – und rieb sich zunehmend an der Zwanghaftigkeit und Prüderie auf. Traf Basic Instinct noch das perfekte weil verwertungstechnisch optimierte Maß an Skandal mit der weltbewegenden Frage nach den textilen Befindlichkeiten unter Sharon Stones Rock, machte sich Verhoeven mit Showgirls keine Freunde: ,What’s happening in Vegas stays in Vegas‘ ist eine allseits bekannte Regel, die zu brechen die US-Amerikaner zwingt, ihr Keimfrei-Image als das zu sehen, was es ist: selbst erlogen. Der Film erhielt mit FSK 18 den finanziellen Todesstoß und wird auch hartnäckig schlechtgeredet: 4,6 auf IMDB stellt dabei schon eine Steigerung dar, in den ersten zehn Jahren nach Veröffentlichung kam der Streifen auf unterirdische 3,8. Dabei ist er einer der erotischsten Filme, die je gedreht wurden, und zugleich eine der drastischsten Anklagen des Frauen verachtenden und ausbeutenden Showbiz.

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Starship Troopers: Rasende Zerstörungswut ist doch verständlich, wenn der Feind so hässlich ist. Foto: Filmmuseum

Verhoeven bekam dennoch eine weitere Chance und nützte sie für die nächste Provokation: Starship Troopers geriet zur perfekt blockbustertauglichen Gewaltorgie mit genau dem Maß an Übertreibung, das das Publikum in zwei Hälften teilte. Wer die Persiflage durchschaute, amüsierte sich königlich. Die anderen verließen den Saal und beklagten bitterlich den Untergang des Abendlandes.

Besonderes Zuckerl der Retrospektive: Der Meister wird dem Filmmuseum höchstpersönlich einen Besuch abstatten und am 8. und 9. 6. zugegen sein.

Paul Verhoeven im Filmmuseum 3. bis 19. Juni 2016

Turks fruit (Türkische Früchte) von 1973: Der zweite Langfilm Verhoevens ist ein wahnsinniges Künstlerporträt und der erste Film mit Rutger Hauer. Foto: Filmmuseum

Turks fruit (Türkische Früchte) von 1973: Der zweite Langfilm Verhoevens ist ein wahnsinniges Künstlerporträt und der erste Film mit Rutger Hauer. Foto: Filmmuseum

„Als so erbarmungs- wie vorurteilsloses Porträt der niederländischen Proletarier-Jugend und ihres repressiven Umfelds traf ,Spetters‘ einen Nerv und löste einen Skandal aus: ,In Holland hassen sie mich noch immer für diesen Film‘, so Verhoeven, ,und ich bin stolz darauf.‘“ Foto und Text: Filmmuseum

„Als so erbarmungs- wie vorurteilsloses Porträt der niederländischen Proletarier-Jugend und ihres repressiven Umfelds traf ,Spetters‘ einen Nerv und löste einen Skandal aus: ,In Holland hassen sie mich noch immer für diesen Film‘, so Verhoeven, ,und ich bin stolz darauf.‘“ Foto und Text: Filmmuseum

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