Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Das Wahrheiten des No-bert H.

nobert-hxferNo-bert H×fer war am Ziel: Obwohl er von den bekannt radikalen Linkskatholiken in die Arme einer kleinen religiösen Protestgruppe getrieben worden war, obwohl sich mit Ausnahme einer Orangenpartei (einmal pressen und der gesamte Saft ist draußen) und natürlich seinen eigenen Einbläulingen praktisch die gesam­te medial präsente Öffentlichkeit ge­gen ihn ausgesprochen hatte, hatte sich eine Mehrheit für ihn gefunden. No-bert war Bundesprassident.

Sofort versammelte er seine Getreuen um sich und bläute ihnen ein, dass die Zeit der Zurückhaltung nun­mehr über­standen sei. Gekommen sei die Zeit des Wunderns über das, was möglich ist. „Immer lächeln“ wurde zum Staatsmotto erhoben, die Korn- zur Nationalblume erklärt und die internationalen Beziehungen auf ein vernünftiges Maß einge­schränkt: auf alle, die den Satz „der vom Thron des Familienoberhaupts ge­stoßene Mann sehnt sich unverändert nach einer Partnerin, deren Brutpflegetrieb auferlegte Selbstverwirkli­chungsambitionen überragt“ verstehen und inhaltlich gutheißen.

BÖS, der Bairisch-Österreichische Staatenbund, brachte endlich zusammen, was zusammengehört. Südtirol erhielt eine ständige Vertretung, Vorarlberg wurde vor die Wahl gestellt: Annahme des Bösterreichischen als Amtssprache oder Abschiebung in die Schweiz.

Im sofort in Angriff genommenen neuen amtlichen Regelwerk des Bösterreichischen wurden etliche linguisti­sche Fehler der Vergangenheit behoben. „lügen“ wurde etwa mit den Vermerken „veraltet, nur noch in der Zusammensetzung ,Lü­genpresse‘“ versehen sowie dem Verweis auf den neuen korrekten Begriff „wahrhei­ten“ („Bei der Vorwahl-Behaup­tung, nicht für den Östritt zu sein, wahrheitete No-bert H×fer im Sinne seines Gemeinwesens.“). Fremdländisches wurde ausgemerzt (siehe Östritt statt Öxit, Gemeinhüter statt Polizei, Taktonung statt Musik) oder zumindest rechtsschreibend angepasst (Händi, kuhl, Proweida).

Siegestrunkene Massen zogen über die Ringstraße freiheitlicher Studenten, die neuen rot-weiß-roten Fah­nen mit ein­gefügter Kornblume schwenkend und im Takt der neuen Ordnung skandierend: „Ein Volk, ein BÖS, ein H×fer“.

Abweichler bekamen den ungezügelten Zorn der Einbläulinge zu spüren: Der Begriff „Gründüngung“ eta­blierte sich für eine besonders ekelhafte Form der Bestrafung durch den aufgebrachten Pöbel, bei der Kli­mawandel-Gläubige oder sonstwie des politischen (bzw. Bösterreichisch gemeinverwahrenden) Grün-Seins Verdächtige als Aborte missbraucht wurden. Eine besonders tatkräftige Gemeinheit (Bösterreichisch für eine gemeinverwahrende Ordnungsgruppe) am rechten Gesinnungsrand der Einbläulinge ging Gerüchten zufolge sogar so weit, die grüngedüngten Opfer nach Mög­lichkeit an Ort und Stelle zu verscharren, um ihre frucht­bringende Wirkung zur Gänze zu nutzen.

Dieselbe Gemeinheit stand auch im dringenden Verdacht, für das wiederholte Vorkommnis des „Aderlasses“ verant­wortlich zu sein; damit wurde die häufig tödliche Praxis bezeichnet, „das Rot aus den Roten abzulas­sen“. Als Rote gal­ten alle links von den Einbläulingen, bei denen das Grün nicht überwog; in Zweifelsfällen wurden einfach beide Bestra­fungsmaßnahmen angewendet.

Das offizielle Bösterreich hatte mit derlei Übergriffen selbstver­ständlich nichts zu tun. Obwohl Prassident H×fer sich sofort nach seinem Wahltriumph mittels einiger Änderungen der Verfas­sung mit nahezu uneingeschränkten Machtbefugnissen ausgestattet, seine Amts- auf Lebenszeit verlängert und sich symbolträchtig zur Ein-Prozent-Gesellschaft bekannt hatte, indem er 1 Prozent des BNP als sein Jahressalär als Prassident festlegte – mit einer festgesetzten Untergrenze von 3 Milliarden Euro –, obwohl er es also wirklich nicht mehr nötig hatte, anderen etwas vorzuspielen, distanzierte er sich in einer prassidialen Stellungnahme von den barbarischen Praktiken mit den Worten: „Gerechter Zorn gegen unser Gemeinwesen gefährdendes Abweichlertum ist das eine, doch Gründüngungen und Ader­lässe schädigen unter Umständen, insofern es sich um einheimische Bösterreicher handelt, den gesunden Volkskörper in einer dem großen Ziel der Reinigung un­seres Gemeinwesens abträglichen Weise. Entspre­chenden Gerüchten, dass tatsächlich echtgebürtige, wenn auch ge­sinnungsmäßig abweichende Bösterrei­cher letztgültig zu Schaden kommen, ist auf das Genaueste nachzugehen. Soll­ten die angeblichen Ausüben­den dieser Gewalttaten, für die selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt, tatsächlich die Verantwor­tung übernehmen, werden unverzüglich Umschulungsmaßnahmen in die Wege geleitet werden, mit de­nen die fragliche Gemeinheit wieder zum starken Stamm unseres geliebten Gemeinwesens zurückgebracht wird. So­lange es fremdländische, leicht verzichtbare bzw. unerwünschte Abweichler gibt, gibt es keinen Grund, den Nährboden unserer Volksgemeinschaft zu schwächen. Denn auch wenn der Pfad für Abweichler für im­mer verloren sein mag, be­steht doch immer Hoffnung für ihre Abkömmlinge, durch rechtes Streben, einge­bettet im sicheren Schoß gesinnungs­fester Kreise, zum wahren Bösterreichertum zurückzufinden. Dies sa­gen wir im unerschütterlichen Glauben an die Kraft des reinen Blutes unseres gesunden Volkskörpers. H×fer heilt!“

„H×fer heilt!“, verkündete denn auch die Echopresse und lobte einmal mehr die staatstragende Souveränität ihres Prassidenten. Die dieser auch parteiintern bereits unter Beweis gestellt hatte, indem er innerer Zerris­senheit der Ein­bläulinge von Anfang an einen Riegel vorschob: Er schuf einen neuen Wallfahrtsort, St. Ra­che, und würdigte damit die Bedeutung des zweiten Mannes im Staat, Bundesabkanzler Hetz-Christian Ra­che. Der war zwar durch den prassidialen Machtzuwachs zu einer gemeinverwahrenden Symbolfigur, vulgo Prassionette, geworden, durfte sich dafür aber als graue Eminenz hinter dem Aufstieg des No-bert H×fer im nach ihm benannten Wallfahrtsort jederzeit in den Huldigungen der Pilgerscharen sonnen.

Die kat-hohle Kirche hatte sich schon Jahrzehnte zuvor, in der wirklich guten alten Zeit, nicht erkennbar ge­gen die Ver­einnahmung durch die damaligen Machthaber zur Wehr gesetzt. Mittlerweile war ihr allgemeiner Einfluss geschrumpft; der offene Bruch des Prassidenten mit der zahlenmäßig noch immer größten religi­ösen Gruppe Bösterreichs machte aus dem leckenden Schiff eine Titanic, aus dem Mitgliederschwund einen Sturzbach der Ent-kat-hohlisierung. Kurz ge­sagt: Die einst so mächtige Kirche war in keiner Position, den Einbläulingen ernsthaft etwas entgegensetzen zu kön­nen, selbst wenn sie das gewollt hätte. So wurde Ra­che in nie dagewesenem Eiltempo heiliggesprochen – noch dazu zu Lebzeiten.

Trotz dieses ungeheuerlichen Bruchs mit den Traditionen erfuhr der Rache-Kult einen Aufschwung sonder­gleichen. „Auf Rache schwören“ gehörte bald zum festen Stammtischvokabular in den Gauen Bösterreichs, und parallel zum Staatsgruß „H×fer heilt!“ wurde auch „Rache heilt!“ zum geflügelten Wort. „Unser Bundesno-bert“, wie der Prassident gerne liebevoll genannt wurde, musste sich deshalb aber keine Sorgen machen, sein Bundesabkanzler würde ihm wo­möglich wieder den Rang ablaufen. Der gewiefte Taktierer und Stratege wurde von den Entwicklungen keinesfalls überrascht: Alles verlief entsprechend seinem Plan.

Rache selbst war aus dem Machtspiel genommen, genoss zugleich aber buchstäblich die Verehrung eines Heiligen, was seinem Ego, ganz wie H×fer es vorausgesehen hatte, noch mehr schmeichelte, ja gewaltig zu Kopf stieg – sein Heiligenbildnis zeigt ihn mit blitzsprühenden Augen, nacktem, muskulösem Oberkörper und schmerzhaft weißen Zäh­nen; die Hände ruhen auf den Schädeln von einem Mann und einer Frau, die links und rechts von ihm demütig seine Einbläuungen entgegennehmen, sein mächtiges Haupthaar wird von einem Kokablattkranz gekrönt. Auch wegen derlei Götzenhaftigkeit rieb die kat-hohle Kirche sich weiter auf – Traditionalisten konnten ihr Entsetzen über die Heiligspre­chung eines lebenden Menschen nicht überwin­den, schrieben die Kirchensatzungen doch eindeutig vor, dass Heilige verehrt werden müssen. Was nun dar­auf hinauslief, dass neben der Dreifaltigkeit eine Art lebender Halbgott entstand, dessen direkter Draht zu Gott kirchenseits hochoffiziell bestätigt worden war; theologisch gesehen eine Kontinentalver­schiebung, mit der insbesondere die bisherige Kirchenelite weder mitwollte noch mitkonnte. Eine weitere Spaltung der ganz und gar nicht mehr „universalen“ Religionsgemeinheit schien bald nur noch eine Frage der Zeit. Viele jener Anhän­ger, denen derlei kirchenphilosophische Gedankengänge am Allerwertesten vorbeigingen, strömten derweil dem Ra­che-Kult zu und verwandelten in genauer Befolgung der kat-hohlen Heiligenverehrungsvor­schriften ihre Kirche in eine guruhörige Sekte zurück. Die große Masse tat, was sie schon die Jahrzehnte zu­vor getan hatte, wenn auch nunmehr lawinenartig: Sie trat aus.

Aus H×fers Sicht ein Erfolg auf allen Linien: Rache „zu Tode befördert“, wie er es gerne für sich allein aus­drückte, die Kat-hohlen auf den kürzesten Weg zu ihrer eigenen Vernichtung gebracht und dabei selbst als Teil der Religions-Pro­testgruppe frei von jeder Verantwortung. Die Einbläulingen-Partei war zu einem Kult geworden, H×fer zu dessen Hohe­priester. Endlich konnten die bisher von den politischen, rassischen, ideo­logischen, völkischen, fremdsprachlichen, aus­ländischen, inländischen, intellektuellen, religiösen und sonsti­gen Feinden als Behauptungen, Propaganda oder gar glatte Lügen verunglimpften eingebläuten Wahrheiten im unverfälschten Glanz unbedingter Wahrhaftigkeit erstrahlen. Egal was Rache von sich gab, ob er der De­mokratie an sich die Daseinsberechtigung absprach, nach einem starken Führer schrie, die Schuld an allen Missständen je nach Stimmungslage den Asylanten, Islamisten, Flüchtlingen, Musli­men, Burka-Trägerinnen, Linkslinken, Migranten, Sozialschmarotzern oder Vaterlandsverrätern zuschob, den baldigen Bürgerkrieg her­aufbeschwor, den Untergang des Abendlandes prophezeite – alles wurde von den Eingebläuten aufge­sogen, als gelte es die Milch des Herrn zu trinken. Noch wichtiger: Es wurde nicht hinterfragt, nach Fakten geprüft oder zur Diskussion gestellt, es wurde geglaubt. H×fer stellte hinter den Kulissen sicher, dass Rache sich dabei – Ehre! Treue! – an seinen Plan hielt und nichts verkündete, das diesem zuwiderlief, also seine, H×fers, Stellung untergrub. Das funktionierte weitestgehend reibungslos, da der Bundesabkanzler seine symbolische Position in vollen Zügen ge­noss: Sie entband ihn der Mühen des gemeinverwahrenden Tagesgeschäfts und verhalf ihm zu gottähnlicher Vereh­rung. Welches Interesse sollte er daran haben, zu den Grabenkämpfen der Gewöhnlichen zurückzukehren? Und in den seltenen Fällen, in denen doch einmal der alte Hetz-Christian zum Vorschein kam, andere niedermachend zur eigenen Erhebung anstatt zum Wohle der großen Gemeinheit der Einbläulinge, mit Sätzen um sich schlagend im unablässigen Kampf um die Spitze, setzte H×fer sein huldvollstes Lächeln auf und erklärte den andächtig Lauschenden, wie im ers­ten Moment befremdlich Wirkendes tatsächlich zu verstehen waren. Als Hohepriester der großen Gemeinheit hatte er die Deutungshoheit, sein Wort war nicht bloß Gesetz; es aufzunehmen, anzunehmen, zu verinnerlichen war gelebter Glaube.

Ja, No-bert H×fer war am Ziel. Und lächelte.

Autor: Helmuth Santler

19. Nov 2016 um 11:25

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