Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Magischer Verschreiber

charlton_nico1Neues aus der Hobbit-Presse, der verlegerischen Heimat von Fantasy-Allzeitgrößen wie Tad Williams und selbstverständlich dem Altmeister selbst, J.R.R. Tolkien. Nicodemus – der Zauberverschreiber ist der Erstling von Blake Charlton und der Auftakt zu einer Trilogie. Ich stelle diese Information deshalb an den Anfang, weil dem Buch selbst keinerlei Hinweis darauf zu entnehmen ist.

Licht und Schatten bestimmt das Werk, was bereits bei der Aufmachung beginnt: Ein wirklich schönes, aufwändiges Relief-Cover, zu dem der kindliche Titel so gar nicht passen will (im Original haben wir es mit Spellwright zu tun). Die beschriebene Fantasy-Welt ist tatsächlich „außergewöhnlich“, wie man Tad Williams zitiert, aber das bedeutet ja erstmal nur „sehr anders“. Alle Magie liegt in den Sprachen, ausgehend von der nur aus 4 „Runen“ bestehenden Ursprache Primus (auch die DNA besteht bekanntlich aus nur 4 Bausteinen, die endlose Wiederholung macht den Unterschied). Nicodemus, immer noch Zauberlehrling, hat viel Potenzial, leider ist er aber ein „Kakograph“, der die komplexen zauberischen Satzgebilde allein durch Berührung hoffnungslos verhunzt. Im Schwange ist die apokalyptische Bedrohung einer Sprachverwirrung durch einen prophezeiten Unglücksboten – oder die Errettung dank dem Halkyon, einer Art Magie-Messias.

Blake Charlton hat seine eigene Legasthenie überwunden und daraus ein Fantasy-Epos gemacht. Ein spannender Ansatz, leider ist aber die Schreibe des Autors sperrig und kompliziert, so dass echte Spannung beim Lesen so gut wie nie aufkommt. Wenn er „Tiraden wie Pfeile“ abschießen lässt, glänzt seine Gleichsetzung von Sprache und Werkzeug/Waffe; häufig hemmen die allzu oft wiederholten Beschreibungen der Vorgänge, wie die Zauberer sich magische Sätze aus den Muskeln (!?) pressen, aber einfach nur den ohnehin zum Stocken neigenden Lesefluss.

Man hat den Eindruck, dass der Autor sehr viel über Linguistik recherchiert hat und dies nun unbedingt auch verwenden will. Potenzial ist auch bei ihm vorhanden; mit etwas mehr Distanz zur Autobiografie, mehr Geschmeidigkeit im Aufbau, einem ausgewogeneren Verhältnis von Bildungs- und Unterhaltungsanspruch und besserer erzählerischer Struktur hätte die Arbeit das Zeug zu einem großen Wurf gehabt. Vielleicht mit dem zweiten Teil?
Blake Charlton: Nicodemus – der Zauberverschreiber. Klett-Cotta, Stuttgart 2011. Geb., 473 S.

Autor: Helmuth Santler

06. Mai 2011 um 13:39

Kategorie: Buch,Fantasy

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