Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Das Leben ist Leiden – aber warum?

Steve Taylor, Der Fall

Der Fall (aus der Einheit) und die Herrschaft des Egos sicherten das Überleben der Menschheit. Heute aber ist ein Umdenken angesagt.

Patriarchat, Gier, Krieg, hierarchisches Denken, Einsamkeit – das Leben ist Leiden, postulierte Buddha, und Steve Taylor pflichtet ihm darin unter Heranziehung unzähliger (anthropologischer) Belege bei. Doch übersteigertes Ich-Bewusstsein, Egoismus und Einzelkämpfertum sind seiner Meinung nach keinesfalls biologische Grundkonstanten des Lebens, sondern das Ergebnis des „Falls“: Von der Wüstenbildung im Raum Sahara und Naher Osten („Saharasia“) zum Überlebenskampf gezwungen, ereilte die lokale Bevölkerung vor rund 6.000 Jahren die „Ego-Explosion“. Statt wie bisher überwiegend im All-Einen zu sein, gegenwärtig, genügsam und in dauerhafter, empathischer Verbindung mit der Umwelt, konzentrierten sich die Bewusstseinsenergien auf den eigenen Vorteil, das eigene Überleben, das Ego. Diese Menschen machten rasante (kriegs)technische Fortschritte, was sie in Verbindung mit gesteigerter Aggressivität und insbesondere bei Männern so gut wie nicht mehr vorhandenem Einfühlungsvermögen in die Lage versetzte, zu „des Menschen Wolf“ zu werden. Das neue Konzept war systemintern gedacht ein voller „Erfolg“ und verbreitete sich im Laufe von Jahrtausenden auf dem ganzen Planeten; mit wenigen indigenen Ausnahmen sind heute alle Menschen in ihren Egos abgekapselt, geschlagen mit dem lebenslangen Fluch, sich nicht als Teil des Ganzen wahrnehmen zu können.

Der Ausweg: ein neues Bewusstsein

Der Fall ist jedoch nicht aussichtslos: eine Gegenbewegung hat längst eingesetzt, wenn sie sich auf der Makroebene auch beileibe noch nicht durchzusetzen vermag. Taylor mahnt die Wiedereinbeziehung der spirituellen Dimension an, eine Aufgabe, der sich nur jeder für sich stellen kann. Er verortet bei der Menschheit eine Evolution des Bewusstseins, eine Steigerung der Bewusstseinsenergie, dank der es uns möglich wäre, in die Einheit zurückzufinden, ohne den vor allem in technischer Hinsicht sehr vorteilhaften Entwicklungen seit der Ego-Explosion abschwören zu müssen.
Der Text ist hervorragend recherchiert, lesefreundlich aufbereitet, un-esoterisch in der Diktion und in seinen Schlussfolgerungen erfreulich klar. Taylor macht keine falschen Hoffnungen: Wir haben es in der Hand, aber einfach wird die Sache sicher nicht. Und die Zeit spricht gegen uns. Umso wichtiger wäre es, dass dieses besondere Werk von vielen Menschen wahr- und seine Botschaft zu Herz und Hirn genommen wird.

Steve Taylor: Der Fall: Vom Goldenen Zeitalter über 6000 Jahre Niedergang zu einem neuen Bewusstsein. Sphinx, 2009. Geb., 576 S.

Autor: Helmuth Santler

27. Jan 2011 um 16:29

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