Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Schildkrötengalopp

Ein Zwiespalt: Einerseits bestätigt der gefeierte Jugendbuchautor John Green mit seinem jüngsten Roman eindrucksvoll seinen Ruf als Teenager-Flüsterer; selbst dass ein 40-jähriger Mann die zwanghafte Gedankenwelt einer 16-Jährigen in der Ich-Form seziert löst keinerlei Irritation aus. So überzeugend wird man in den neurotischen Gedankenstrudel von Aza Holmes gezogen, dass sich das würgende Gefühl der immer enger werdenden Spirale beim Lesen fast physisch manifestiert. Näher an reales Erleben kann pure Fiktion kaum kommen.

Andererseits wirkt die Rahmenhandlung um einen verschwundenen Milliardär, Vehikel für die Beziehungs- und Selbstfindungsdramen, an den Haaren herbeigezogen. Die tiefsinnigen, mit Shakespeare-Zitaten unterlegten Diskurse sind eine Handlungsbremse – und mit durchschnittlichen Teenager-Lebenswelten schwer zu vereinbaren. Die Nachfrage in einer Schulbibliothek ergab: Haben wir natürlich. Wurde noch nie gelesen.

Fazit daher: Anspruchsvolles, literarisch hochstehendes Nischenprogramm für ein bibliophiles Publikum. Deshalb im engeren Sinne der Agenda Lesen leider nicht zu empfehlen.

John Green, „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“. € 20,60 / 228 S. Hanser-Verlag, München Wien 2017

Im Standard, 10.11.2018:

Autor: Helmuth Santler

12. Nov 2018 um 20:57

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