Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Völkermord und Schokolade

Ein deutscher Herrenmensch, ein afrikanischer Bub und ein Schokoladenashorn: Das alte Familienfoto in der kleinen Meißener Chocolaterie ist so auffällig wie rätselhaft. Mia ist mit diesem Bild aufgewachsen, doch viel mehr als dass der dürre Knabe ihr Urgroßvater ist und der Deutsche der Begründer der Schokoindustriellendynastie Herder ist ihr nicht bekannt. Wie kam ein Schwarzer ins Deutschland der späten Kaiserzeit? Und warum?

Auf der Suche nach Antworten gerät Mia in einen Strudel gewaltsamer Ereignisse. Die deutsche Kolonialgeschichte wirft auch nach über 100 Jahren einen langen, qualvollen Schatten … und birgt Geheimnisse, für die bis heute jemand über Leichen geht.

Herrmann benutzt in ihrem sehr spannenden All-age-Thriller den Krimi als Vehikel für einen intensiven, gut recherchierten Blick auf die mörderischen Abgründe der deutschen Gewaltherrschaft in Namibia, dem Wüten der „Nazis“, bevor es diese überhaupt gab. Zurückhaltend im blutigen Detail, gibt sie den feinen Tönen Resonanzraum und legt einen Schleier über das Grauen: Das Unfassbare wird durch den Filter kenntlich gemacht.

Elisabeth Herrmann, „Zartbittertod“. € 18,50 / 480 S. cbj Jugendbücher, München 2018

Im Standard, 13.04.2019

Autor: Helmuth Santler

14. Apr 2019 um 15:50

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