Textmaker Helmuth Santler

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Böses Mädchen

Amélie Nothomb: Böses MädchenBlanche, bleich und blass wie ihr Name, existiert nicht: Sie wird nicht wahrgenommen und schon gar nicht geliebt. Ganz anders Christa: Sie strahlt, sie steht im Mittelpunkt. So kann Blanche ihr Glück nicht fassen, als sich Christa ausgerechnet sie zur Freundin nimmt. Bald aber kommen ernsthafte Zweifel bei der 16-Jährigen auf: Hinter der strahlenden Fassade, mit der Christa Blanches Eltern um den Finger wickelt und sich in ihr geheiligtes Privatleben mischt, entdeckt sie die (Originaltitel) Antéchrista; gekommen zu zerstören, nicht zu erretten, als junger Mensch bereits unfähig, sich anders zu definieren als über die Ausübung von Macht über andere. Blanche bleibt nur eine Möglichkeit: Sie muss das Lügengebilde der geliebten Feindin aufdecken.
Boshaft-naiv, entlarvend komisch, brillant formuliert – Nothombs Qualitäten sind alle vertreten. Dennoch hat mich die Geschichte aus der Perspektive einer introvertierten 16-Jährigen nicht in der Weise gepackt, wie es andere Titel der Autorin vermochten. Das mag am allzu großen Unterschied der Lebenswelten der Protagonistin und des Rezensenten liegen oder auch daran, dass es Nothomb meiner Ansicht nach nicht in gewohnter Stringenz gelungen ist, ihre psychologische Vivisektion (in diesem Fall: der Lüge) zu vollziehen. Für Nothomb-Einsteiger nur bei Nähe zum Thema zu empfehlen.
Amélie Nothomb: Böses Mädchen. Diogenes, Zürich 2005. Geb., 139 S.

Autor: Helmuth Santler

29. Mrz 2010 um 22:14

Kategorie: Buch,Roman

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