Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Die späte Ernte des Henry Cage

abbott, piano playerabbott, ernte cage„Das Schlimmste“ erscheint in mancherlei Gewand, schier unüberbietbar grauenvoll in diesem späten Erstling eines renommierten, ehemaligen Werbeagenturchefs. Denn der Titelheld muss mitansehen, wie sein innig geliebter Enkel zu Tode kommt, und ist daran nicht frei von Schuld.
Nach diesem würgenden, knappen Einstieg erfolgt für den Großteil des Romans eine Rückblende auf die Zeit, in der Henry aus seiner eigenen Firma in die Frühpension getrieben wurde. Er hat aber noch weit mehr verloren als seine Arbeit: In eingestreuten Vorrückblenden erfahren wir vom Ende seiner Ehe, von der völligen Entfremdung von seinem einzigen Sohn; diese geht so weit, dass er von der Existenz des Enkels, dessen tragisches Ende den Auftakt des Romans bildet, erst erfährt, als der Kleine schon vier ist.
Letztendlich ist es die Geschichte eines hoffnungslosen, ausweglosen Niedergangs; schön zu lesen, berührend, menschlich, einfühlsam – und unendlich traurig. Die „Ernte“ im deutschen Titel und auch der Umschlagtext suggerieren etwas wie Erlösung, doch davon kann keine Rede sein. Der Anfang ist das Ende und „das Schlimmste“: von Ernte zu sprechen ist bitterster Zynismus.
Klare, warme Sprache und hyperpräzise Beobachtung sozialer Interaktionen sind die größten Stärken des Texts. Als Vermächtnis eines nach den oberflächlichen Kriterien der materiellen Welt überaus erfolgreichen Mannes ist es indes ein einziger Abgesang, eine erschütternde Trauerrede, die umso mehr an die Nieren geht, weil sie so gefühlvoll ist.
David Abbott: Die späte Ernte des Henry Cage. dtv premium, München 2011. Tb., 360 S.

Autor: Helmuth Santler

30. Mrz 2011 um 11:54

Kategorie: Buch,Roman

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