Hitchcock-Effekt
Ich nenne es den Hitchcock-Effekt: Man erwartet sich Spannung, aber erst einmal plätschert es mehr so dahin. Man könnte seine Zeit auch besser verwenden, denkt man sich irgendwann … und genau in diesem Moment passiert etwas völlig Unerwartetes und man muss unbedingt wissen, wie es weitergeht. Man hat angebissen, gerät tiefer und tiefer in den Sog, die Nerven liegen blank bis zum fieberwahnsinnigen Finale, dem Showdown, in dem als Knalleffekt auch noch alles auf den Kopf gestellt wird, was man bisher für die Buchrealität gehalten hat.
Christina Stein kocht ihren Spannungsroman exakt nach diesem Rezept – und das richtig gut. Kim und Jon wandern den West Highland Way entlang, schöne Landschaft, müde Beine. Kim ist schwer irritiert von der unverblümten Anmache durch Sky, der doch sieht, dass sie mit ihrem Freund ist … und auch davon, wie sehr sie auf die männliche Augenweide reagiert. Obwohl – etwas stimmt mit diesem Typen nicht. Seltsame Dinge passieren, Kim fühlt sich bedroht, Jon nimmt sie nicht ernst, und dann liegt auf einmal eine Leiche auf dem Weg in einem allzu vertrauten Kleid.
Christina Stein, „Dreivierteltot“. € 13,40 / 352 S. Fischer-Sauerländer, Frankfurt a. Main 2022