Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Eschbacher Allerlei

Das Setting ist überzeugend und mit viel Sinn und Liebe fürs Detail ausgestattet: Vor den allerschlimmsten Auswirkungen der Klimakrise hat sich die Menschheit durch millionenfache Baumpflanzungen und die kompromisslose Schaffung riesiger Naturschutzzonen gerettet, zu denen niemand Zutritt hat. Es wird nur noch automatisch gefahren, dass man einst Tiere getötet hat, um sie zu essen, ist schlicht unvorstellbar, Bargeld ist verboten und ohne Pod (Personal Organization Device) geht in der durchdigitalisierten Welt rein gar nichts mehr: Wir schreiben das Jahr 2064, und dank des Freiheitsgeld genannten bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ist niemand mehr auf Lohnerwerb angewiesen.

Das Geschehen auf dieser wohldurchdachten Bühne wirkt indes unausgegoren: Im Mittelpunkt steht ein Kriminalfall, recht spannend wird es aber nicht und die letztliche Auflösung degradiert das mörderische Geschehen zur Nebensache. Eine provokante, neugierig machende Nebenhandlung rund um die Vermarktung von speziellen Körperflüssigkeiten und deren ganz entgegen dem Zeitgeist geradezu kunsthandwerkliche Gewinnung erweist sich als nicht plotrelevantes Beiwerk. Eschbachs Dauerthemen Digitalisierung und Automatisierung sind Hintergrundrauschen, und das dem Titel nach zentrale Thema BGE steht von Anfang an unter einer Art Kommunismus-Generalverdacht, ist doch die große Mehrheit zu einem mehr oder minder sinnbefreiten, durchregulierten Dasein in Einheitswohnungen mit Einheitsessen verdammt, und die Tatsache, dass die kreative Selbstverwirklichung nunmehr allen offensteht, hat zur völligen Vermassung und Entwertung jeglicher künstlerischer Ausdrucksformen geführt. Es ist was faul an diesem Freiheitsgeld, soviel ist klar, und auch der Rahmen-Kriminalfall weist immer deutlicher darauf hin. Worum es geht, erschließt sich aber nicht Stück für Stück, sondern wird ganz am Ende einfach in einem seitenlangen Monolog erklärt. Das ist dramaturgisch schwach; inhaltlich hinterlässt es einen mehr als schalen Beigeschmack: Es ist alles Teil des großen Planes der Ultrareichen und wird auch nur von diesen am Leben erhalten. Einen zynischeren Kommentar zum Thema BGE muss sich erst einmal jemand ausdenken. Da ist es fast schon ein Glück, dass der Plan hinter dem Plan, die Reduktion der Weltbevölkerung auf 500 Millionen, derart in der verschwörungsverliebten Schwurblerecke angesiedelt ist, dass es selbst hartgesottene Eschbach-Fans (zu denen ich mich zähle) nicht auf seine Seite ziehen wird.

Fazit: Zugänglich, bildhaft, originell, in die Zukunft gedacht – zahlreiche bewährte Eschbach-Attribute gelten auch für Freiheitsgeld. Das Buch ist schön gestaltet, mit schwarzem Schnitt und Lesebändchen. In Summe trifft es aber das eher beliebig wirkende Cover am besten: Krimi? Thriller? Science-Fiction? Gesellschaftskritik? Utopie? Dystopie? Politisches Statement? Von allem etwas und zu wenig davon wirklich konsequent.

Andreas Eschbach, „Freiheitsgeld“. € 25,60 / 522 S. Lübbe, Köln 2022

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