Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Von einem, der auszog, das Leben zu lernen

Österreich sei eine Waldnation, mit Waldstädten, Waldmenschen und explosiven Bäumen, gab 2020 der Heute-schon-wieder-US-Präsident Donald Trump stolz wissend preis. Diese selbst für Trump-Verhältnisse extra-absurde Aussage, aka Schwachsinn im MAGA-Format, nahm der Bauernbub, Buchdrucker, Bauarbeiter, Jurist und Journalist Johann „Hans“ Bogenreiter, jahrzehntelang als Geschäftsführer der Gesellschaft für bedrohte Völker Österreich aktivistisch tätig, nach dem üblichen Trump-Aussagen-Verarbeitungsprozess des Sich-Abhauens und Verhöhnens zum Anlass, ausnahmsweise nicht in Phase drei zu verfallen – ratlose Resignation ob der ultimativen Teflon-Qualitäten des Schreckensclowns im Weißen Haus –, sondern der Sache auf den Grund zu gehen.

Von Waldmenschen und anderen höheren Primaten

Dieses Gehen führte ihn oder vielmehr sein Alter Ego im Buch, ein Naivling namens Gump, in den forest rund um Wien, im Speziellen ins Insulaner- und Nacktbadedorado Dechantlacke im Wiener Teil des Nationalparks Lobau-Donauauen. Von nun an mäandern wir Seite um Seite, Foto um Foto durch kultivierte oder jedenfalls von zahlreichen nackten Affen mitgestaltete Wildnis, entdecken Parallelen zwischen so isoliert voneinander scheinenden Ethnien wie den indigenen Feuerländern und den Wienerstadtflüchtigen auf Zeit und finden in den kleinsten Beobachtungen Belege für und Spuren des großen Wahnsinns der Welt. Dabei befleißigt sich Gump eines (selbst)ironischen Tonfalls, der dem Inhalt die niederdrückende Schwere nimmt, die solch expressionistischem Schreibaktionismus andernfalls allzu häufig innewohnt. Das tut wohl und macht auch die Zurschaustellung von obsessiver Belesenheit bzw. Versunkenheit im (pop)kulturellen Universum der letzten 60 Jahre zu einem Akt der Demut: Es ist kein Prahlen mit Wissen, es ist eine Verbeugung vor den Hundertschaften, die wie er, Gump, auszogen, das Leben zu lernen, und da und dort ein Stück davon für sich entdecken konnten.

Wahrer Idiot und narzisstischer Irrer

Diese Stücke, diese Puzzleteile, setzt Gump nun zusammen zu fragmentarischen Bildern, aus denen immer wieder Schmucksteine hervorleuchten: „Der US-amerikanische Satiriker Henry Mencken schrieb am Sonntag, den 26. Juli 1920 in der Zeitung Baltimore Evening Sun sehr hellsichtig: ,Wenn die Demokratie sich fortlaufend perfektioniert, widerspiegelt die Präsidentschaft immer exakter die innere Seele des Volkes. Eines großen und glorreichen Tages wird sich der Wunsch der einfachen Leute erfüllen und das Weiße Haus mit einem wahren Idioten und narzisstischen Irren besetzt sein.‘“ Oder das: „Bemerkenswert ist, dass damals gegen die Abschaffung der Sklavenhaltung oft dieselben Argumente ins Treffen geführt wurden wie heute gegen das Aus für fossile Energieträger: Die Wirtschaft könnte so einen Umstieg nicht verkraften.“

He Is on a Mission

Wenn Gump zum Ende hin bei Kreisläufen anlangt, das Hohelied der Work-Life-Integration anstimmt (natürlich nicht ohne Bezug auf ältere Quellen, hier Konfuzius vor ca. 2.500 Jahren: „Wähle einen Beruf, den du liebst, dann musst du niemals arbeiten.“) und die Notwendigkeit der Muße mit den Worten des deutschen Sozialforschers Harald Welzer herausstreicht („Man braucht leere Zeit, ohne leere Zeit passiert überhaupt nichts Pro-Aktives. Das muss man einfach realisieren.“), ist man um die eine oder andere Erkenntnis reicher; sofern man den Wald vor lauter Bäumen noch sieht, was angesichts des von allen Seiten hereinprasselnden Denkanstoß-Hagels keine zu unterschätzende Gefahr darstellt. Hans – Rezensent und Autor haben gemeinsame Vergangenheit – ist auf einer Mission mit diesem Projekt, in das er über fünf Jahre herzbluttriefendes Engagement investiert hat. Natürlich ist er das. Doch respektiert er die Menschen viel zu sehr, um ihnen „was aufs Aug’ zu drücken“. Und außerdem: Wer lange genug das Leben zu lernen versucht hat, kommt unweigerlich zu dem Schluss, dass es einen solchen einfach nicht gibt. Das Leben ist ewig und so auch die Suche danach. „Explodierende Bäume & Waldmenschen“ ist auf diesem endlosen Weg ein augenzwinkender Begleiter, der sich vieler ernster Dinge an-, aber sich nicht allzu wichtig nimmt.

Hans Bogenreiter, „Explodierende Bäume & Waldmenschen. Eine Recherche vom Wienerwald bis zum Amazonas“. EUR 19,50 / 144 S. Eigenverlag-Buchschmiede, Wien 2025. ISBN 978-3-99181-469-6

Bezugsquellen: Im Buchhandel, bei Amazon, in der Buchschmiede oder – vorzugsweise – direkt beim Autor: +43 699 1 820 29 98 bzw. taotan@gmx.at

Autor: Helmuth Santler

24. Okt. 2025 um 17:42

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