Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Die Verschollenen

rush 1, Die VerschollenenUngeachtet der Groschen-SF-Covergestaltung, die zudem noch weniger als nichts mit dem Inhalt zu tun hat und sich insofern mit dem komplett schwachsinnigen und irreführenden Umschlagtext im Einklang weiß, ist dieser Roman ein blendend geschriebenes, durchgehend gut getimtes Stück intelligent unterhaltender Science Fiction.
Ich freue mich über diese Entdeckung, weil unter lauter gleich aussehenden Stücken Müll Perlen wirklich selten und vor allem schwer zu finden sind.
Die Story: In Zeiten interstellarer Handelsabkommen mussten die Menschen teilweise äußerst schmerzhaft lernen, welche kulturellen Abgründe sich zwischen den Welten auftun. Immer wieder geraten sie mit Gesetzen in Konflikt, von deren Existenz sie nicht ahnen konnten, begehen Verbrechen, die für sie keine sind; nichtsdestotrotz wird allen Rassen das Recht zugestanden, Vergehen nach ihrem jeweils eigenen Rechtsempfinden zu ahnden.
Die Strafen sind drakonisch, und um ihnen zu entgehen hilft nur das völlige Untertauchen: Verschwindedienste lassen sich gut bezahlen, um neue Identitäten zu erschaffen.
Die „Verbrechen“ verjähren jedoch nicht, und auf einmal werden mehrere uralte Fälle wieder eingefordert; Detective Miles Flint soll dem Recht Geltung verschaffen. Er gerät in einen Gewissenskonflikt, besonders als er herausfindet, welche kapitalistischen Interessen hier buchstäblich über Leichen und Existenzen trampeln. Er muss sich zwischen Recht und Gerechtigkeit entscheiden.
Rusch schreibt spannend und immer „auf Zug“, streut wohl dosierte Emotionalien ein und hat mich insbesondere mit den Beschreibungen der unterschiedlichen Rechtsauffassungen fasziniert. An welchem Punkt geht Toleranz in Selbstaufgabe über? Sich beugen in gebeugt sein? Integration in Demütigung? Rusch spricht reale, immer aktuelle Fragen an, bestens verpackt in eine stimmige, futuristisch-realistische Umgebung; more to come…
Kristin Kathryn Rusch: Die Verschollenen. Bastei-Lübbe, Bergisch-Gladbach 2006. Tb., 415 S.

Autor: Helmuth Santler

16. Apr 2010 um 17:47

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