Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Der Hauch des Todes

arnaldur_todeshauchUnd noch einmal Indriðason bzw. Erlendur: Todeshauch, der vierte Fall mit dem zu typisch isländischen Depressionen neigenden Ermittler, hat viel mit dem neuesten Werk, Kältezone, gemein. Auch hier wird per Zufall ein seit Jahrzehnten vergrabenes Skelett entdeckt und Erlendurs kriminalistischer Spürsinn ist bis zum letzten gefordert, um eine lange zurück liegende Tragödie aufzuklären. Eingeschoben werden diese Ereignisse erzählt, als Geschichte in der Geschichte, bis die beiden Handlungsstränge zuletzt nahtlos und absolut schlüssig verwoben werden.
Privat geht es Erlendur schlechter als in irgendeinem anderen Buch: Eva Lind liegt im Koma und der Kommissar im grauen Rentneroutfit kommt nicht umhin, seiner Exfrau zu begegnen, deren Hass auf ihn frisch wie am ersten Tag ist.
Arnaldur hat ein unnachahmliches Gespür für Zwischentöne, seine Krimis sind nie plakativ sondern versetzen den Leser stets in die Situation, viele Seiten eines Geschehens betrachten zu können. Häufig werden Untaten nur allzu verständlich, möchte man dem „Mörder“ am liebsten die Hand führen, so sehr hat uns sein oder ihr Motiv überzeugt. Was natürlich auch an Arnaldurs hervorragender Stilsicherheit liegt, die bei aller nordischen Kühle tief liegende Emotionen nacherlebbar zu machen versteht.
Waren die Menschensöhne noch geradezu sensationsheischend (und dabei nichtsdestotrotz höchstwertige Krimikost), werden Arnaldurs Geschichten von Buch zu Buch schlichter und zugleich tiefergehend, ergreifender und menschlicher. Ein außergewöhnlicher Autor, völlig zurecht als bisher einziger zweimal mit dem Nordic Crime Novel’s Award ausgezeichnet (für Nordermoor und eben Todeshauch). Denn bei aller literarischen Qualität vergisst Arnaldur nie darauf, eine spannende, raffiniert aufgebaute Story zu erzählen, die auch alle Zutaten für den eingefleischten Lesekriminalisten enthält.
Arnaldur Indriðason: Todeshauch. Bastei Lübbe, Bergisch-Gladbach 2004. Tb., 365 S.

Audiobook

Autor: Helmuth Santler

13. Jul 2010 um 16:53

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