Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Limit

Frank Schaetzing LimitFrank Schätzing kann es sich erlauben, ein Monster von einem Buch, 1.300 eng bedruckte Seiten, abzulassen – er wird trotzdem gelesen. Er kann es sich erlauben, dem Leser eine Unmenge an Fakten aufs Auge zu drücken, weil dieser seit dem Schwarm weiß: der Mann ist ein Meister der Recherche, nebst vielem anderen sind seine Bücher auch perfektes Edutainment. Außerdem versteht er es, hochspannende Stories mit Action und Hintergrund zu verweben und Nahzukunftsszenarien zu entwickeln, die utopisch genug sind, um exotisch zu faszinieren, und faktisch genug begründet, um sehr glaubhaft zu wirken.
In Limit, dessen brisante Ausgangslage sich um das Ende des Öl- und den Beginn des Helium-3-Zeitalters samt Abbau am Mond und Erdlieferung per Highest-Tech-Fahrstuhl dreht, finden sich all diese Qualitäten überreichlich. Und damit ist auch schon die größte Schwäche des Buches benannt: Es gibt einfach von allem zu viel.
Die Sache lässt sich über 400 Seiten ausufernd mäandernd und mäßig spannend an, überzeugt über 600 Seiten mit auch psychologisch fein ausgelotetem Tiefgang und wachsender Spannung, um dann über die finalen 300 Seiten zu einem Reißer durchschnittlicher Qualität zu kippen, der weder plotmäßig noch in den actionreichen Details wirklich der Burner ist, für den er sich hält. Das alles ist stets wohl formuliert, wenn sich auch Schätzing mitunter am Limit zur Selbstverliebtheit in seine ultracoole Diktion bewegt.
Um 500 Seiten gekürzt und um etliche „auch interessante“ Randdetails entschlackt könnte das Buch seine Science Fiction weitaus kompakter und damit besser erzählen. Die letztlich misslungene Auflösung bliebe als Problem bestehen: Es ist so offensichtlich, dass, als Schätzing seinem brillant detektivischen Helden endlich die eine entsprechende Einsicht zugesteht, auf die man als Leser wenigstens 100 Seiten zuvor auch schon gekommen ist, dieser sich als „blöder, blinder Idiot“ beschimpft. Und dann gibt es noch eine zweite Enthüllung, die auch keine ist, womit das schwergewichtige Werk als Thrillermarathon leider im entscheidenden Moment versagt.
Ich habe es trotz alledem gerne, schnell und mit Gewinn gelesen, denn wie gesagt: überreichlich. Auch an faszinierenden Charakteren, verblüffenden Fakten, Real-Space-Impressionen jenseits von Star Wars, ordentlich krachenden Kampfszenen und Verfolgungsjagden, Zeitgeschichtslektionen, China-Innenschauen und und und. Nur: der perfekte Schätzing wurde bereits geschrieben. Eine Neuauflage ist es nicht geworden. Dennoch gebührt dem Autor größter Respekt angesichts dieser vollbrachten Leistung.
Frank Schätzing: Limit. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. Geb., 1.326 S.

Autor: Helmuth Santler

27. Jan 2011 um 12:50

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