Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Geheimsache Fahrschein

mobilticketUnlängst im Kundenzentrum der Wiener Linien in Erdberg: Einmal mehr deponiere ich meinen Wunsch nach einem Ticketangebot, das meinen Bedürfnissen entgegenkommt. Ich bin Radfahrer, Autofahrer und Öffi-Benützer, in dieser Reihenfolge, und Zeitkarten zahlen sich für mich nicht aus. Also bleiben im Fall der Öffibenützung nur die Einzelfahrscheine hin und zurück; zweimal zwei Euro für zwei Einzelfahrscheine empfinde ich aber als unverschämt teuer. Tagestickets kosten noch mehr. Ich möchte z.B. eine Einzelfahrten-Streifenkarte mit Mengenrabatt – 10 Fahrten zum Preis von 8, 20 zum Preis von 15, irgendsowas.

Ich erzähle das also der Dame vom Kundendienst, die mich fragt, wie viel Zeit zwischen der Hin- und Rückfahrt vergeht – und ob ich schon vom Handy-Singleticket für 90 min. um € 2,20 gehört habe. Hatte ich nicht. Sie drückt mir einen Folder in die Hand: „Haben Sie die Qando-App?“ Habe ich auch nicht. „Es geht auch per SMS.“ Gut, und an welche Nummer? Das steht nämlich im Folder nicht, wo es stehen sollte, nämlich direkt beim Hinweis auf die SMS-Möglichkeit. Und auch sonst nirgends in dem immerhin sechsseitigen Prospekt. Die Damen am Schalter wissen es auch nicht, sehen aber gerne im Computer nach. Dort kostet das Singleticket plötzlich € 2,50, das Handy-Tagesticket € 4,90 statt € 4,50 wie in dem veralteten Folder. Dafür erfahre ich die Nummer, an die die SMS zu schicken ist: Eine der Damen kritzelt 0828-2020 auf einen Zettel. „Und was muss in der SMS stehen?“ frage ich und sehe selbst am Bildschirm nach. Aha, „Wien Single“ oder kurz „W S“ bzw. „W D“ für den ganzen Tag. „Bei der Telefonnummer haben Sie mir aber eine Null unterschlagen“, merke ich an: 0828-20200 müsste die heißen. „Es ist Freitag“, lautet die lapidare Entschuldigung.

mobilticket2Zu guter Letzt erklärt mir die andere Dame die Grundsatzproblematik bei meinen Ticketwunsch: „Es gibt schon so viele verschiedene Tickets.“ Offensichtlich mehr, als über das Fassungsvermögen der Kundendienstlerinnen geht. Andererseits sind die ja nur die Gesichter für eine verblüffende PR-Abteilung, deren größter Kommunikationserfolg darin besteht, gezielte Verschleierung als Information zu tarnen.

Übrigens, hier noch ein Infolink für potenzielle (Handy)-Ticket-Interessenten. Ich hab es allerdings nicht auf einen Versuch mit so einem Fahrschein ankommen lassen, Erfahrungsberichte von mutigen Pionieren werden gerne entgegen genommen.

Nachtrag: Der Text stammt von 2012. Mittlerweile (Mai 2016) kostet das Handy-Singleticket 2,80, das Tagesticket 5,50 und der gewöhnliche Einzelfahrschein 2,20. Genützt hat mir der 90-Min.-Fahrschein schon damals nichts und tut es bis heute nicht. Mein Wunsch nach einer Einlösung des Versprechens der Wiener Linien – „Wir haben für alle unsere Fahrgäste das passende Ticket.“ – bleibt bestehen.

 

Autor: Helmuth Santler

09. Dez 2012 um 15:03

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